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Karl Raupp 1837 Darmstadt - 1918 München
„Der bekannte Münchner Kunstkritiker und Maler Friedrich Pecht schrieb in einer Ausstellungsbesprechung der Gemälde im Glaspalast zu München: „Raupp hätte sich das kleinste Stückchen Welt, die Fraueninsel, zur malerischen Ausbeute erwählt.“
Raupp, der ein gewandter Schreiber war, erwiderte: „Wohl ist die Insel klein, aber es ist ja nicht das halbe Kilometer, das ich schildern will; ein weiter Horizont umgibt das Eiland, auf dem eine dicht wohnende Einwohnerschaft, Fischer, Handwerker und Bauern, alle Lebensbedürfnisse befriedigen muß, auf diesem unruhigen, stimmungsvollen, oft poetischen oft gefährlichen, stürmischen Element, das sie stundenweit in der Runde umgibt und mit dem sie von Jugend auf verwachsen sind. Dazu die romantische Zutat des altersgrauen Klosters, das gab und gibt eine Situation, die einen seltenen Reichtum an Motiven in sich birgt und den zum Teil zu erschließen, merkwürdiger Weise erst mir vorbehalten blieb. 1828 sind die Maler nach Frauenchiemsee gekommen, viele haben Bilder dort gemalt, aber nicht einer hat ein Genre daraus gemacht, der ganze Reichtum blieb unbehoben. Außer mir ist nur Joseph Wopfner als Chiemseemaler bekannt geworden, obgleich allsommerlich Maler und auch Malerinnen in großer Zahl auf den Inseln, wie in den verschiedenen Dörfern der Ufer sich aufgehalten und fleißig gemalt haben. Und ich muß gestehen, bei all dem, was ich davon darzustellen versucht habe, beschleicht mich oft das Gefühl, als ob ich noch gar nicht alles das ich in meinen Bildern verwandt hätte, was eigentlich vom Chiemsee zu sagen wäre.“ Nicht besser hätte sein künstlerisches Wollen und Tun beschrieben werden können. Es gilt: was Schriftsteller und Dichter in überschwenglicher Weise im vorigen Jahrhundert über das Eiland und seine Bewohner schrieben oder dichteten, das hat Karl Raupp in seinen Bildern wiedergegeben. Er wollte zeigen, „wie hold die Heimat am bayerischen Meer ist.“ Karl Raupp wurde am 3. März 1837 zu Darmstadt geboren. Schon der Schule riet man ihm: „Sie müssen zeichnen, immer zeichnen, Figuren zeichnen.“ Im 15. Lebensjahr entschied er sich, Maler zu werden und trat in die dortige Gewerbeschule ein, wo er nach Gipsmodellen seine ersten Versuche machte.
Beim Landschaftsmaler August Lucas (1801-1863) in Darmstadt vorgebildet, hat er bei Jakob Becker (1810-1872) am Städelschen Institut in Frankfurt bereits seinen Weg gefunden: in der Verschmelzung der Landschaft mit den sie belebenden Figuren. Das Motiv, bei dem Landschaft und Handlung sich die Waage halten, erscheint früh in seinen Werken und blieb für allemal erhalten. Er wurde immer geschickter im Komponieren und im wohlberechnetem Farbauftrag, der die malerische Stimmung mit seinem gewollten Empfindungsausdruck in Einklang brachte. Schon beim ersten Gemälde „Die zwei Mütter“ hatte Karl Piloty (1826-1886) alles, besonders die malerische Wirkung gelobt, mit einer einzigen Einschränkung, daß ihm „der erzählende Gedanke zu sentimental sei.“
Die allgemeine Kunstwelt in den 70iger Jahren des vorigen Jahrhunderts hat Raupp durch zahlreiche Ankäufe seiner Werke recht gegeben, daß er weiterhin „seinen Kopf durchsetzte“. Er wich seinem Wollen nicht aus, und seine gefühlsseligen, erzählenden Gedanken verleiteten ihn weiterhin zu sentimentalen Gemälden.
Begeistert für Pilotys „sieghafte neue Malerei“, trat der dreiundzwanzigjährige Raupp, zusammen mit dem heute hochgeschätzten Hans von Marées (1837-1887) in dessen Schüleratelier ein. Bald entwickelte sich Raupp von einem Vorzugsschüler zu einem Hilfslehrer Pilotys an der Akademie zu München.
Bevor Raupp 1860 Platz in der Pilotyschule bekam, besuchte er jeweils zur Sommerzeit bis tief in den Herbst hinein Brannenburg am Inn, wo sich immer nahezu zwanzig Künstler aus München und Düsseldorf einfanden. Die schönen Bäume, die prachtvollen Eichen und die malerischen Details des von einem Gebirgsbach durchfluteten Tals, waren so richtig geeignet, der Landschaftsmalerei zu huldigen. Die Malschirme, die man dort in Massen aufgestellt sah, gehörten zur Landschaft und der Ruf des munteren Lebens der Künstlerkolonie Brannenburg drang weit hinaus und zog so manche Fremde zu längerem Aufenthalt gleichfalls dorthin. Zu seinen Malgenossen zählten u.a. Friedrich Voltz, Joseph Wenglein, Karl Ludwig, Otto Fröhlicher, Anton Braith, Albert Kappis, Christian Mali, Karl Ebert, Robert Schietzold und Otto Gebler.
Hier entstand auch die Studie zum Gemälde der „Zwei Mütter“, die er dann in Pilotys Atelier ausführte. Ein Münchner Kunsthändler erwarb das Bild für 1200 Gulden, um es mit größerem Profit an einen reichen, bekannten Sammler in Amerika weiterzuverkaufen.
Raupp suchte auch den bekannten Künstlerort Willinghausen in Hessen, im Schwalmgrund in den 60er Jahren zu Studienzwecken auf. Auch reiste er einmal nach Italien, das ihn nicht sonderlich beeinflußte.
1866 verließ er die Pilotyschule und mietete sich in der Schillerstraße zu München ein Atelier. Sein Lehrtalent war früh zutage getreten, gefördert durch seine sachliche, klare Art im Tun und Reden, durch seinen Verstand.
Im Jahre 1867 bot ihm die Nürnberger Kunstschule eine Professur an, die er bis 1879 inne hatte. Fast alle Gleichaltrigen seines Schülerkreises aus München folgten ihm dorthin. 1880 wurde er an die Akademie der bildenden Künste nach München berufen. Dieses Lehramt hatte er bis zum Jahre 1914 inne. Er war einer der ersten, die auf einer Kunstschule ihr Lehramt so auffaßten, daß sie nur das Können ihrer Schüler pflegten, deren Eigenart sie aber frei entwickeln ließen.
Von Brannenburg her kannte Raupp den Maler Gustav Cloß (1840-1870). Durch ihn erfuhr Raupp von Frauenwörth, dem poesieumworbenen Chiemsee-Eiland, das 1828 durch Max Haushofer (1811-1866) entdeckt und so der Kunst und Dichtung gewonnen wurde.
Voller Hoffnung betrat er erstmals 1869 die Insel, die ihm Zeit seines Lebens Motiv und Inhalt seiner Gemälde gab.
Ihn interessierten die stämmigen, kernfesten Fischersleute in ihrem geradlinig schlichten Leben, das er beobachtete in Frieden und Leid, auch von Leidenschaft verschattet. Unerschöpflich war ihm der See, nicht nur an Wassermenge, sondern auch an der Fülle der Schönheiten an Stimmungen.
„Solch ein Zauber in der duftigen, silbrigen Luft, in dem zarten Schimmer der Fläche. Und gar, wenn er wild wird und aufgewühlt; oh er kann gewaltig tun, dann ist er ganz dramatisch, von einer düsteren Größe. Ich kann’s nicht sagen, höchstens malen,“ bekannte er seinem Freund.
Und er hat’s gemalt, immer wieder den Liebhabern interessant gemacht, was er lieb hatte und ihn interessierte.
In und um die Fraueninsel fand er nach eigenen Worten „Alles was ich brauche, was mich malerisch reizt und unbewußt schon immer zum Ausdruck drängte: bewegtes Wasser und ewig wechselnde Stimmung.“ Er scheute keine Mühe, Luft, Licht, Lokalfarbe der Natur abzulauschen, auf dem Einbaum mitten im See oder auf dem Podium, das er weit drinnen im See sich erbauen ließ, fest eingerammt wie Pfahlbauten. So weit sein Blick streifte, war das schilfige Ufer gefeit von der Sense, denn er hatte sich’s gesichtert, und „der Herr Professor derf net verinkommodiert wern.“
Sie taten auch dem Meister zuliebe stets gern ein übriges, denn sie wußten, was ihnen seine Chiemseebilder mit den vielabgewandelten Themen „Friede, Obhut, Mutterglück, Wellengang“ bedeuteten. Nicht weniger als vierzehnmal hat er das Gemälde „Der Friede“ in größeren und kleineren Bildern wiederholt. Das große Galeriebild kaufte die Nationalgalerie zu Berlin an. Alle größeren Museen des In- und Auslandes bewarben sich um seine Gemälde, so Dresden, Stuttgart, Köln, Karlsruhe, München und viele andere. Dies und viele Orden und Ehrenzeichen, die man ihm inzwischen verliehen hatte, trugen nicht wenig zu seiner Wertschätzung bei.
Auch zu historischen Gemälden gab ihm der Chiemsee Anregung und Motiv. Seine im Sinne Pilotys aufgefaßten Gemälde „Ankunft der ersten Äbtissin Irmingard“, einer Enkelin Karls des Großen, die beim Anblick Frauenwörths sich im Einbaum zum Gebet erhebt, und die „Plünderung des Klosters Frauenwörth durch die Hunnen“ fanden großen Anklang.
Die Zeit nach dem Sieg von Sedan, der gewonnene Krieg 1870/1871, die Kaiserproklamation und die Reichsgründung forderten geradezu auf, sich solcher Themen anzunehmen. All diese Galeriebilder entstanden in seinem Atelier in der Akademie zu München. Froh und zufrieden war Raupp stets, wenn er seinen „Chiemsee“ aufsuchen konnte. Wenn die Fremden fort waren oder noch nicht da, im Vorfrühling oder im Spätherbst, abends, da waren die Maler und Dichter unter sich, da wurden Feste gefeiert nach Herzenslust. Auf mit Girlanden und farbigen Lampions geschmückten Boot holte man ihn „den Malerkönig“ vom drüberen Ufer ab. Wie er in seinen Erinnerungen schwelgend gern erzählte, beglückte ihn der Titel „Inselkönig“ und fast kosend verweilte er auf diesem, weil die Insulaner und Maler in freier Wahl ihm diesen verliehen, den einst als Maler nur Max Haushofer zuerkannt wurde.
Wir verdanken Karl Raupp und seinem Freund Franz Wolter, daß sie Auszüge aus den Bänden der „Ehrwürdigen Chronik der Künstlerherberge Frauenwörth“ in einem Bildband herausgegeben haben. Nachdem die ersten drei Originalbände leider zu Verlust gegangen sind, werden uns wenigstens einige der künstlerischen Seiten überliefert.
In den noch erhaltenen zwei Bänden finden wir so manche Zeichnung und so manches Aquarell des Meisters. Noch im Jahre vor seinem Tod am 14. Juni 1918 genoß der Achtzigjährige die Sommerfrische seines Eilandes, der einzige Fremde, den man als die Lebensmittelschwierigkeiten andere Probleme verbannte, nicht ziehen ließ. War es ein Vorgefühl, daß Raupp, als der Herbst kam, einen „Abschied“ in seine Chronik malte: einen Fischer in einem Boot forttreibend, den Hut schwenkend, der zurückgelassenen Heimatinsel zum letzten Gruß …“
Fritz Aigner
(In: Kat. Ausst. "Gedächtnisausstellung Karl Raupp“, hrsg. v. Gemeinde Frauenchiemsee (Frauenchiemsee, Torhalle, 14.05. - 09.10.1988), Frauenchiemsee 1988.
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