Ihre süddeutsche Galerie für den Kauf und Verkauf von Rudolf Reschreiter
Rudolf Reschreiter
1868 München - 1939 München
"Man schrieb den 11. Juli 1903. In der königlich-bayerischen Metropole hatte man um diese Zeit gerade die ehrgeizigen Pläne für ein Deutsches Museum abgesegnet, Rainer Maria Rilke beendete sein "Stundenbuch", die russischen Sozialdemokraten spalteten sich in Bolschewiken und Menschewiken, und in der Dolomiten-Brenta verlor der Campanile Alto seine Unschuld. Zwei Wochen später wurde im Kaukasus der Uschba erobert, während Frederic Cook sich am Mount McKinley versuchte.
Auf dem Planeten Erde ging es also relativ friedlich zu, als Rudolf Reschreiter in Ecuador ein glücklicher Mensch war und die fruchtbarste Schaffensperiode seines knapp 70jährigen Daseins erlebte. Der berühmte Meyer-Leipzig - nach seinen ostafrikanischen Gletscherfahrten mit Ludwig Purtscheller und seiner Forschungsreise zum Kilimandscharo mit Kollege Ernst Platz - hatte diesmal ihn als Chronisten mit Pinsel und Feder, als bergerfahrenen Begleiter zu den Vulkanbergen Ecuadors eingeladen. Sein Gemälde "Büßerschnee" ist eine bleibende Erinnerung an diese Kleinexpedition.
Reschreiter war an diesem Tag vor der Besteigung des Cotopaxi 35 Jahre alt. Ein bescheidener Mann aus gutbürgerlicher Familie. Sein Vater Karl gehörte als Jurist zu den besseren Kreisen und hatte es in München zum "Fondskassier mit unwiderruflicher Anstellung" gebracht. Er stellte etwas dar, und seine drei Söhne Oskar, Rudolf und Hubertus waren nicht nur sein und seiner Gemahlin Pauline privater Stolz, sondern auch der übliche Mannestribut an König, Kaiser und Vaterland. Wohlgefällig verfolgte er die nicht unerheblichen bergsteigerischen Abenteuer seines Erstgeborenen und überzeugte die besorgte Gattin, daß auch Rudolf die körperliche Ertüchtigung im Gebirge zum charakterlichen Wohle gereichen könne.
So kam der Kleinere unter der Obhut des Bruders zu ersten alpinen Weihen, und damit waren die Weichen für sein künftiges Leben gestellt. Nicht ohne Einfluß blieb auch, daß neben ihm im Gymnasium Georg Winkler saß, ein exemplarischer Typ der Sturm-und-Drang-Zeit. Sie übten zwar zusammen in den Münchner Klettergärten (den Isartaler Nagelfluhwänden bei Menterschwaige und Höllriegelskreuth, an einem Steilhang zwischen Großhesseloher Brücke und Geiselgasteig). Aber Rudolf war nicht bereit, Winklers asketische Trainingsmethoden nachzuvollziehen. Der Klassenkamerad starb kurz nach dem Abitur am Weißhorn in den Schweizer Alpen. Georgs Tod hinterließ Spuren
Obwohl Reschreiter nach dieser zweiten "Reifeprüfung" gehorsam ein Jura-Studium begann, war er nur zögernd bei der Sache. Der Familienkonflikt bereitete sich im Keime vor, denn mehr als zu "Jus" zog es den Studiker zur Malerei. Als er 1894 Mitglied des renommierten Akademischen Alpenvereins wurde (dem auch Ernst Platz angehörte), führte er sich noch als cand.jur. ein; zwölf Monate später firmierte er schon als Kunstmaler. Wie aber sollte er seiner auf Reputation bedachten Familie klarmachen, daß er das Studium an den Nagel gehängt und sich auf der Kunstakademie hatte immatrikulieren lassen? Söhne hatten sich nach der Decke zu strecken, wenn ihnen das Studium bezahlt wurde. Weglaufen war Utopie, ein Makel, den er seinen Eltern nicht anzutun wagte. Deshalb wohnte er weiter bei ihnen in einem repräsentativen Patrizierhaus - vis-á-vis von der Villa Isarlust, die der Münchner Magistrat bald darauf dem Alpenverein zur Gründung eines Museums überließ.
In den Bergen war er frei. Anfangs wetteiferte er noch mit seinen Vereinsfreunden beim Bergsteigen, wie den teilweise spektakulären Jahresbilanzen des AAVM zu entnehmen ist. Und mit dem ehrgeizigen Ernst Platz auch als Künstler. Wurden Konkurrenten? Gab der Münchner endlich auf, weil ihn der alpine und der künstlerische Zweikampf ermüdeten? Die wenigen Zeugnisse dieses stillen Malerlebens deuten jedoch darauf hin, daß Rudolf Reschreiter zuviel Kraft für die Bewältigung privater Probleme brauchte, um sich darüber hinaus in Eitelkeiten und Eifersüchteleien zu verschwenden.
Es scheint, daß die Jahrhundertwende auch ihm eine Wende brachte. Für die große Sportausstellung in München 1899 malte er (mit Zeno Diemer aus Oberammergau) das Riesenbild "Reintal mit der Blauen Gumpe", das die Gartenlaube ganzseitig veröffentlichte, was seinerzeit ein Erfolgsbillet war: auch die Kollegen Compton, Platz und Hans Beat Wieland gehörten zu den Mitarbeitern des heute zu Unrecht verkannten Familienblattes. Als Reschreiter 1902 die Gründung der "Hochland"-Bergsteigergruppe initiierte, stand er auf der Höhe seines Erfolges, der durch die Reise mit Professor Meyer zu Chimborazo und Cotopaxi noch bestätigt wurde. Sein Fazit, Jahre danach: "Ich hatte in diesem Land gelernt, keine Minute unnütz verstreichen zu lassen". Zehn seiner Bilder kaufte das Grassi-Museum in Leipzig, fünf gehören zum Bestand des kleinen Museums.
Wie beurteilte der Geographie-Professor und Kolonialpolitiker seinen zweiten Mann? "Mit den reschreiterischen Zeichnungen stimmen die Winkelmessungen der Konturen des Cotopaxi überein"; der Wissenschaftler war zufrieden. Nch den Unternehmungen am Chimborazo befand er: "Ein Künstler kann einem so erhabenen Naturbild nur beikommen, wenn er von dem unendlichen Reichtum der Einzelerscheinungen absieht, das Ganze vereinfacht und das Typische heraushebt, nur so kann er eine so gewaltige Bergpersönlichkeit malerisch bezwingen und zugleich den Forderungen der Erdkundlichen Wissenschaft gerecht werden. Dies ist zum ersten Male Herrn Rudolf Reschreiter gelungen."
In seinem Expeditionsbuch "In den Hochlanden von Ecuador" wußte er auch Episodisches zu berichten, zum Beispiel, daß sein Begleiter, im Sumpf sitzend von Stechmücken umschwärmt, tapfer malte, er bei der Besteigung des Cotopaxi 1600 Stufen ins Eis schlug und trotz Schneewirbeln ein Temperabild zu Ende brachte; und daß ihm ein ausgehungerter Köter die Farbe von der Palette gefressen habe.
Bald wurde es stiller um Reschreiter, der zwar ein Atelier unterhielt, jedoch immer noch bei seinen Eltern wohnte. Die Begegnung mit einer Frau verunsicherte sein Leben - eine nach wilhelminischen Begriffen unstandesgemäße Liaison. Josefa Schiffmann, drei Jahre jünger, laut archiviertem Personenstandsbogen "Kassiererin in München", brachte wenige Tage vor Weihnachten 1908 ein Kind zur Welt, Reschreiters Tochter Pauline Josefine. Sie wurde im Juli 1910 durch Heirat legitimiert - nach dem Tod seines alten Herrn, des "Fondskassiers mit unwiderruflicher Anstellung". Frau Josefa zog jetzt erst mit der kleinen Paula zu ihm in die vornehme Wohnung an der Isar.
Sie soll warmherzig, aber von einfachem Zuschnitt gewesen sein und ihrem Mann einen bürgerlichen Haushalt geführt haben. Wie auch immer: sie war der Fixpunkt seiner letzten Lebensjahre, als Reschreiter fast unbeweglich im Rollstuhl saß. Bis an sein Ende soll sie ihn unermüdlich betreut haben. Keiner der hinzugezogenen Ärzte konnte seine Krankheit genau definieren - Störungen im motorischen Nervensystem, sagte man. Alles deutet nach heutigen Erkenntnissen darauf hin, daß der Alpenmaler an multipler Sklerose erkrankt und der schleichenden Zerstörung seines Körpers hilflos ausgeliefert war.
1937 führte Paula ihren künftigen Mann, Reinhard Schorn, bei den Eltern ein. Wir trafen Reschreiters Schwiegersohn, einen zierlichen und äußerst eleganten Herrn, kurz nach seinem 88. Geburtstag. Er erzählte, daß er Paulas Vater als klugen und über die Maßen interessanten Künstler kennengelernt habe, der das Haus nicht mehr verlassen und sich auch in der Wohnung nur im Krankenstuhl fortbewegen konnte. Und daß er ihm pflichtschuldigst von der unehelichen Geburt seiner Tochter erzählte. Mit eiserner Disziplin hätte er immer noch versucht zu malen, zuletzt mit dem Pinsel in der Faust. "Figuren, das geht nicht mehr", sagte er zu Schorn.
Die Ehe hielt nicht lange. Paulas Spur, und wahrscheinlich auch nachgelassene Arbeiten und Aufzeichnungen ihres Vaters, sind in alle Winde verstreut.
Rudolf Reschreiter gehörte nicht zu den erfolgverwöhnten Kollegen seiner Zeit, war kein Chronist bergsteigerischer Heldentaten, hielt keine Vorträge und suchte keinen Beifall. Trotzdem wurden ihm nach seinem Tod, gegenüber vom Alpinen Museum an der Isar, herzliche und sachkundige Nachrufe gewidmet. Dr. Anton Schmid charakterisierte sein Werk so: "Er gestaltete die Berge mehr als Erscheinung wie körperlich, stellte seine Person der Natur gegenüber ehrfürchtig zurück, sah sie nicht durch ein Temperament wie die Impressionisten, sondern gab sie, wie sie ist. Dabei spricht aus seiner Darstellung eine ruhige Vornehmheit der Empfindung. Wie in der Form ging Reschreiter auch in der Farbe mit spitzem Pinsel allen Einzelheiten der Natur nach. Eines wird man sagen dürfen: vermutlich wird die Zukunft dem Werk Rudolf Reschreiters mehr gerecht werden als das Zeitalter des Impressionismus, da man heute wieder zu den Vorbildern der Natur zurückkehrt ..."
In der Schlußfolgerung - möglicherweise von den Zeitströmungen der 30er Jahre beeinflußt - irrte der Kunstkenner Dr. Schmid. Obwohl Reschreiter und der weltweit reisende Forscher Meyer zwei Gletscher des Chimborazo tauften - wer kann das schon "in unseren Kreisen" von sich sagen (Spezialkarte des Bibliographischen Instituts, Leipzig 1907, mit "Reschreiter-" und "Hans-Meyer-Gletscher"); obwohl 1964 im Norden Münchens am Hasenbergl eine Straße nach ihm benannt wurde und trotz seiner im letzten Krieg nach Innsbruck geretteten Chimborazo-, Cotopaxi- und Cerro-Alto-Gemälde: dieser bescheidene und vom Schicksal geknechtete Künstler wurde schlicht vergessen."
(Literatur: Christine Schemmann, Schätze & Geschichten aus dem Alpinen Museum Innsbruck, herausgegeben vom Österreichischen Alpenverein Professor Ernst Bernt, Starnberg 1987, Seite 123f).
Öl auf Leinwand ⋅ 86,5 x 120 cm
Tempera ⋅ 49,5 x 68,5 cm
Tempera
Tempera ⋅ 65 x 102 cm
Öl auf Karton ⋅ 48 x 67,5 cm
Tempera ⋅ 63 x 100 cm
Öl auf Karton ⋅ 49 x 69 cm
Tempera ⋅ 36 x 34 cm
Tempera ⋅ 35 x 50 cm
Öl auf Leinwand ⋅ 120 x 185 cm
Tempera ⋅ 42 x 31 cm