Ihre süddeutsche Galerie für den Kauf und Verkauf von Sion Longley Wenban
Sion Longley Wenban
1848 Cincinnati, Vereinigte Staaten - 1897 München
Sion Longley Wenban wurde am 9. März 1848 als zweitältester von drei Söhnen in Cincinnati in Amerika geboren. Der Vater, Wagenbauer von Beruf, wurde als freundlicher Mann geschildert, der seinen Kindern mehr als ein Freund, denn als strenger Erzieher zur Seite stand und sie nach ihren individuellen Veranlagungen gewähren ließ. Die Mutter starb bereits 1854.
Angelockt durch den Weltruhm der Münchner Kunst, um dort die Ausbildung für seinen Künstlerberuf zu finden, die ihm in der Heimat nicht zuteil werden konnte, wagte er am 19. September 1878 mit seinem Freunde Otto Bacher (1856-1909), ausgestattet mit einer kleinen Barschaft von nur wenigen hundert Dollars, die Fahrt über den Atlantik in die bayerische Hauptstadt, nicht ahnend, dass er seine Heimat nicht wiedersehen sollte. Über die ersten Eindrücke gibt sein Tagebuch Auskunft: "Bei der Erinnerung an meinen ersten Winter in München denke ich an eine neblige Atmosphäre und unreine Straßen, die mit langen Bierwagen angefüllt sind; von schweren pittoresken Pferden gezogen, bewegen sie sich langsam fort und machen einen schon durch ihren Anblick durstig; und so gehen wir in den Augustiner oder in einen der anderen wohlbekannten Keller, um da, hinter einem Maßkrug sitzend, nachzudenken."
In München lernte er den Landsmann Frank Currier (1843-1909) kennen, einem in Fachkreisen hoch geschätzten Künstler, der ihm zeitlebens ein guter Freund und Berater war.
Enttäuscht über den schulmäßigen Betrieb an der Akademie der bildenden Künstle - zunächst war er der Zeichenschule des Prof. Gabriel Hackl zugeteilt worden - übersiedelte er bereits im Sommer 1880 von der Schwanthalerstraße 15/II nach dem idyllischen Bauerndorf Schleißheim, wo er in einem Nebengebäude des königlichen Schlosses eine primitive Wohnung fand. Es begann eine Zeit intensivsten Naturstudiums; um nicht von der Laune des Wetters zu sehr abhängig zu sein, hatte er sich einen Schäferkarren erstanden, unter dessem Schutze er auch bei Regen und Schneesturm seine Studien im Freien betreiben konnte.
Anfang 1883 wandte er sich mit aller Energie der Radierkunst zu. In einem Brief an seinen jüngeren Bruder Geo bekannte er : "Ich bin ganz erfüllt von Arbeit, Versuche mit der Radierung zu machen, und bin so tief interessiert und so sehr bestrebt, das Ding zu erfassen, daß ich mir kaum Zeit zu anderem nehme." Sein künstlerisches Gestaltungsvermögen war ein so großes, daß auch die unscheinbarsten Motive unter seiner Hand eine Form annahmen, die nach irgendwelcher Richtung zu interessieren vermag. Es gelangen ihm Werke, die ihn in eine Reihe setzen mit den besten Initimisten der Münchner Landschaft, mit Schleich, Lier, Wenglein und Stäbli.
Im Mai 1883 schloss er mit der Münchnerin Bertha von Langenmantel den Bund fürs Leben. Die Jahre, die nun folgten, waren erfüllt von Not und Entbehrung, einem ständigen Kampf um die nötigsten Existenzmittel. "Nur wenige Menschen haben eine Ahnung davon, wie arm ich bin", notierte er aufgewühlt in sein Tagebuch. Seinem Bruder Geo schreibt er: "Ich war in der letzten Woche bei allen namhaften Kunsthändlern um ihnen ein paar meiner kleinen Pastellbilder zu zeigen und wenigstens ein paar Mark für sie herauszuschlagen, aber sie haben alle eine so verbindliche Art, "nein" zu sagen. Ich bot sie ihnen zu so lächerlich billigem Preis an, daß ich mich nachher schämte, nur 25 Mark für das Stück, wenn ich auch zuletzt 40 Mark verlangte. Aber ich bin überzeugt, daß der Preis nichts mit der Sache oder der Qualität der Bilder zu tun hat. Sie kennen mich nicht. Einer von ihnen bemerkte: "Ja, wenn das ein Defregger oder ein anderer gleich bekannter Meister wäre, dann sah er vor sich hin und zuckte die Schultern [...] aber da fuhr gerade jemand von der Aristokratie vor, und er eilte nach vorne, um sie zu empfangen. Ich nahm mein Paket, verbeugte mich höflich vor dem eisernen Geldschrank und ging zu einer anderen Türe hinaus."
Durch die häufigen Naturstudien selbst bei kaltem und feuchtem Wetter zog sich Wenban neben schweren Erkältungen eine schlimme Augenentzündung zu, die ihn sogar der Gefahr der Erblindung aussetzte. Auf ärztliches Anraten sah er sich deshalb genötigt, im Sommer 1886 ein einges Quartier in der Türkenstraße 85/II zu beziehen, das er fortan nur mehr zu kurzen Sommeraufenthalten in der unmittelbaren Umgebung Münchens verließ; 1887, 1888, 1889 am Schliersee, 1890 in Neubeuern am Inn, 1891 und 1895 am Starnberger See, 1892 und 1893 in Schleißheim.
Wenban benutzte aus Sparsamkeit mit Vorliebe Zinkplatten. "Zink ist billiger, und ich sehe nicht ein, warum die Ergebnisse nicht gerade so gut sein sollten als bei Kupfer. Ich lasse alle meine Zinkplatten verkupfern und finde, daß dadurch eine zauberhafte Wirkung erzielt wird." Wenban arbeitete am liebsten mit den einfachen Mitteln des Tiefdruckes: Ätzung und Kaltnadeltechnik. "Man ist versucht", schrieb er an einen Kollegen, "so viele Experimente mit der Radierung zu machen, sie ist für so viel geeignet, und man kann so Verschiedenartiges mit ihr erreichen; aber ich komme immer zu dem Resultat, daß die reine Linie am Ende doch die Hauptsache bei der Radierung ist."
Bei der Konstituierung des Münchener Vereins für Originalradierung im Jahre 1891, zu dem sich die angesehendsten Münchner Graphiker zusammengeschlossen hatten, war auch ihm, dem Ausländer, eine Stelle in der Vorstandschaft - das Amt des Kassiers - übertragen worden. "Ich glaube, ich wurde blaß, als ich meinen Namen auf der Liste sah", schrieb er seinem Bruder Geo. Ein weiterer Erfolg wurde ihm zuteil, als seine Radierung "Blick auf die Bahnhofshallen in München", für die erste Jahrespublikation des neugegründeten Radiervereins angekauft wurde.
Am 4. April 1892 versammelten sich über 100 Künstler im Kunstgewerbehaus und gründeten den Verein bildender Künstlers Münchens "Secession", zu dessen 1. und 2. Vorstand Bruno Piglhein und Hugo von Habermann gewählt wurden. Unter den Gründungsmitgliedern fand man auch S.L. Wenban, der seinen namen auf die Liste neben den so prominenten Zeitgenossen wie Corinth, Liebermann, Stuck, Uhde oder Zügel gesetzt hatte.
Im Herbst 1896 fesselte ihn eine schwere Krankheit an sein Bett, von der er nicht mehr genesen sollte. Noch in den letzten Wochen gelang es einigen seiner Freunde, insbesondere die Malter Anton (Toni) Stadler, Alfred Bachmann, Eugen Kirchner und Alfred Zimmermann, Käufer für eine größere Anzahl seiner Arbeiten zu finden. Dass auch einmal zu ihm ein bisschen Geld kam, das bedünkte den schwerkranken Mann wie ein freundliches, aber fremdartiges Schauspiel, das ihn persönlich gar nichts mehr anging, dem er indessen beiwohnte wie ein interessierter Zuschauer. "Ich mußte an einen Billetverkäufer in einem Zirkus denken, so floß das Geld herein", schrieb er am 15. März 1897 mit grimmigem Humor, den Tod im Nacken. Aber diese Hilfe kam zu spät. Ein qualvolles Leiden - Wassersucht - setzte seinem kümmerlichen Leben am 20. April 1897, erst 49 Jahre alt, ein frühes Ende. Die sterblichen Überreste wurden am 23. April von einer kleinen Schar Getreuer auf dem stillen Schwabinger Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.
Zwei Jahre nach seinem Tod erwarb die Neue Pinakothek in München das Gemälde "Weiden am Bach" und ganz allmählich ergänzten die großen Kupferstichkabinette von Berlin, Bremen, Dresden und München ihre Sammlungen mit seinen intimen Blättern.
Zu Lebzeiten völlig unbeachtet und erfolglos, wurde Wenban erst durch die Nachlassausstellung im November 1897 im Münchner Kunstverein, die Kollektivausstellung im Februar 1910 mit 78 Ölbildern und Pastellen in der Münchner Kunsthandlung Zimmermann und die bemerkenswerte Ausstellung ausgewählter Radierungen im Juni 1922 in der Staatlichen Graphischen Sammlung München der Öffentlichkeit bekannt.
Die ganze Tragik seines unseligen Künstlerlebens offenbarte sich 1931, als ihm auf der diesjährigen Kunstausstellung im Münchner Glaspalast eine ansehnliche Sonderschau eingeräumt wurde, die ihm einen hohen Bekanntheitsgrad eingebracht hätte, doch am 6. Juni brach aus bisher unbekannten Gründen ein Feuer aus, dem das gesamte Ausstellungsgebäude mit tausenden von Kunstwerken zum Opfer fiel. Wenban, der die Katastrophe zum Glück nicht mehr erlebte, büßte 31 Gemälde, 36 farbige Arbeiten und 32 Radierungen ein.
Im Rechenschaftsbericht des Münchner Kunstverein für das Jahre 1897 findet sich auf Seite 78 ein schlichter Nachruf, wohl von Freundeshand geschrieben: "Er war unter den radierenden Landschaftern Münchens unbedingt der hervorragendste."
1913 erschien von Otto A. Weigmann, dem maßgeblichen Wenban-Biographen, ein umfaßendes Werkverzeichnis, das 371 Radierungen, annähernd sein gesamtes Lebenswerk, umfasst.
Franz Gailer
Radierung ⋅ 22 x 16,5 cm
Literatur: Weigmann WVZ 122